Sonny Chiba – Er war der Wildeste von Allen!

Lesedauer: ca. 4 Minuten

Ich trug mich schon lange damit rum, einen Artikel über den alten Haudegen Sonny Chiba zu schreiben. Allerdings hätte ich nicht damit gerechnet, dass es jetzt ein Nachruf werden würde. Anfang des Jahres hatte ich für mich die Chiba-Mania 2021 ausgerufen und einigen Filmen des japanischen Ausnahme-Martial-Artists gehuldigt. Längst wollte ich hier bei Geisterhaltung auch das Subgenre of the Week – Karate Movies gestartet haben. Zumindest dafür ist es ja nicht zu spät, auch wenn der akute Anlass dafür nun ein trauriger ist.

Ich selbst bin über den Superstar Sonny Chiba erst relativ spät gestolpert. Ins Bewusstsein gerufen wurde er mir durch TRUE ROMANCE, in dem der unbedarfte Christian Slater die nicht minder naive Patricia Arquette im Kino bei einem Street Fighter Marathon kennenlernt. Doch diese Filme waren damals für mich schier unerreichbar. Dann war es wieder Tarantino, der ihn 2003 in KILL BILL als Hattori Hanzo besetzte (namentlich eine Rolle, die er auch mehrere Jahre lang im japanischen TV ausfüllte).

Die Jahre darauf ging es dann fast schon Schlag auf Schlag, Filme wie DER WILDESTE VON ALLEN aka THE STREET FIGHTER, RESORT TO KILL, DIAMANTENAUGE oder auch Takashi Miikes DEADLY OUTLAW: REKKA hämmerten den Namen dieser Karate-Legende in mein Gedächtnis ein. Inzwischen bin ich großer Fan seines Schaffens und bemüht, meine Sammlung an Chiba-Filmen stetig auszubauen…

Der große Mann des japanischen Action-Kinos

Shin’ichi „Sonny“ Chiba kam am 22. Januar 1939 als Sadaho Maeda in Fukuoka, Japan zur Welt. Der sportliche Junge besuchte ab 1957 die Nippon Sports Science University, an der er sich mitunter dem Karate widmete. 1965 erlangte er seinen Schwarzen Gürtel 1. Grades, bis 1984 erreichte er den 4. Grad. Seine Schauspiel-Karriere begann, ganz typisch, mit einem New Face Contest der Toei Studios, die ihn unter Vertrag nahmen. Dort nahm er auch seinen Künstlernamen Shin’ichi (im Westen später „Sonny“) Chiba an.

Seine ersten Rollen hatte er in den Tokusatsu-TV-Serien SPECTRUM MASK (1959), MESSENGER OF ALLAH (1960) und SHIN NANAIRO KAMEN (1960), seine erste Hauptrolle in einem Kinofilm folgte mit INVASION OF THE NEPTUNE MEN (1961). Danach arbeitete er ein erstes Mal mit der ebenfalls am Anfang seiner Karriere stehenden Regie-Legende Kinji Fukasaku für den Krimi DRIFTING DETECTIVE: TRAGEDY IN RED VALLEY (1961) zusammen. In den 60ern stand er noch öfters für die damals beliebten Kriminal-Franchises vor der Kamera, aber auch weitere Tokusatsu standen auf dem Programm. Die meisten davon schafften es damals nicht in den Westen, die lustigen, eher auf jugendliche gemünzten Abenteuer UX-BLUTHUND – TAUCHFAHRT DES SCHRECKENS (1965) und GOLDEN BAT (1966) bildeten da eine Ausnahme.

Durchbruch als rüder Knochenbrecher

1970 startete die YAKUZA DEKA-Reihe, bei der Sonny Chiba viermal mit Ryôhei Uchida als Freund auf der Seite des Feindes aneinander geriet. Sicher zählen die recht klamaukigen Filme, die zwei ersten gibt es als DVD aus dem UK, nicht zu den Highlights seines Schaffens, aber Chiba und Uchida geben ein äußerst sympathisches und launiges Gespann ab. Die Toei setzen in dieser Zeit Anfang der 70er immer mehr auf die Kampfsportfähigkeiten ihres Stars, der u.a. in KIBA – DER LEIBWÄCHTER (1973) ordentlich austeilen durfte.

Als japanischer Konkurrent zu Bruce Lee setzte man in seinen Filmen auf brachiale Brutalität, da sein Kampfstil nicht annähernd so filigran rüberkam wie das Kung-Fu des neuen Superstars aus Hongkong, der dann ja leider viel zu früh verstarb. Internationale Bekanntheit erreichte Sonny Chiba dann nach dem Tode Lees mit DER WILDESTE VON ALLEN aka THE STREET FIGHTER (1974), der das Begehren des westlichen Publikums nach neuen Martial-Arts-Stars befriedigen sollte und dabei noch den Gewaltgrad für solche Filme in ungeahnte Höhen schraubte. Dreimal spielte Chiba den Auftragskiller Tsurumi, der nicht einmal ansatzweise zum Sympathieträger gereichte. Er zeichnete sich nur durch Unbarmherzigkeit und Härte aus (was in den darauf folgenden Teilen immer mehr aufgeweicht wurde).

Mentor für die nächste Generation

Schon um 1970 gründete der Star seine eigene Stunt- und Kampfsportschule Japan Action Club und zeichnete auch als Action-Koordinator verschiedener Filmproduktionen verantwortlich. Er bezeichnete sich gerne als Mentor der Action-Aktrice Etsuko Shihomi, mit der er mehr als ein Dutzend Filme drehte. Shihomi bekam mit SISTER STREET FIGHTER (1974) eine eigene vierteilige Reihe, Chiba war beim ersten mit von der Partie. Ein weiterer Schützling des japanischen Stars war Hiroyuki Sanada, der schon in der hyperbrutalen Action-Comedy THE EXECUTIONER (1974) das jüngere Ich des Stars mimte und später in Filmen wie Kinji Fukasakus STERNENKRIEG IM WELTALL (1979), SHOGUN’S NINJA (1980) und DIAMANTENAUGE (1982) an seiner Seite spielte. Sanada hat inzwischen den Sprung nach Hollywood geschafft und war u.a. in Filmen wie SUNSHINE (2007), THE WOLVERINE (2013), MORTAL KOMBAT (2021) und Zack Snyders Zombiefilm ARMY OF THE DEAD (2021) zu sehen.

Ausflüge nach Hollywood

In den 80er-Jahren verlegte sich Sonny Chiba mehr und mehr auf Nebenrollen und TV-Arbeiten. Mit DIE ASSE DER STÄHLERNEN ADLER (1992) und RESORT TO KILL (1994) mit Ex-Wrestler Roddy Piper beehrte er auch zwei US-Produktionen. Und Anfang der 2000er holte ihn Quentin Tarantino wieder in das kollektive Bewusstsein der Filmverrückten zurück, als er ihn als Hattori Hanzo in KILL BILL VOL. 1 (2003) besetzte und seinen Legenden-Status zementierte. Shin’ishi „Sonny“ Chiba wirket während seiner mehr als 60-jährigen Filmkarriere in weit mehr als 200 Film- und Fernsehproduktionen mit, von denen ich nur einen Bruchteil kenne. Er war zu seiner Glanzzeit einer der größten Stars Japans und der Toei, hat Generationen von Fans, Filmemachern und Schauspielern mit seinen Action- und Samuraifilmen geprägt.

Goodbye, Sonny Chiba!

Auch wenn er in den Interviews der letzten Jahre immer etwas exzentrisch schien, hinterlässt er, mit seinen Erfahrungen und seinen Wissen, eine Lücke, die schwer zu füllen ist. Er war so etwas wie der „grand, old man“ des japanischen Actionkinos, jemand, den man nie vergisst.

3 thoughts on “Sonny Chiba – Er war der Wildeste von Allen!

  1. Ja, da Ableben Sonny Chibas kam trotz seines bereits fortgeschrittenen Alters überraschend für mich.

    Meine Chiba-Sammlumg umfasst bestimmt um die 40 Fime, zu meinen Favoriten zählen neben dem ersten „Street Fighter“-Film (1974) auch seine Masutatsu Oyama-Trilogie („Champion of Death (1975)“, „Karate Bearfighter“ (1975) und „Karate for Life“ (1977)) sowie den abstrus-unterhaltsamen „Wolfguy: Entraged Lycanthrope“ (1975) und den sehr gelungenen „G.I. Samurai“ (1979). Auch seine coole Nebenrolle in „Okinawa Yakuza War“ (1976) soll nicht unerwähnt bleiben.

    Jedenfalls ein gut geschriebener Überblick über den Werdegang und die Karriere von Chiba-san, möge er in Frieden ruhen.

    1. Die Mastatsu Oyama-Filme muss ich noch nachholen. Meine Sammlung ist leider noch nicht ganz so groß, umfasst vielleicht 25 Filme. „Wolfguy“ finde ich auch toll, genau wie den ebenfalls bei Arrow erschienenen „Doberman Cop“, aber neben dem ersten „Street Fighter“ ist wohl „The Executioner“ mein Favorit. „G.I. Samurai“ hab ich an seinem Todestag das erste Mal ungeschnitten gesehen, der ist wirklich super. Demnächst ist auch mal Noribumi Suzukis „The Killing Machine“ fällig, über den habe ich schon so viel Gutes gehört.
      Aber schön, wenn mein kleiner Nachruf Anklang findet. Kannst Du vielleicht Literatur über Sonny Chiba empfehlen? Ich würde mich gerne noch etwas intensiver mit seiner Vita befassen, er war ein faszinierender Mensch.

      1. Gerade Teil 1 der Oyama-Trilogie ist ein Klassiker, die Szenen mit dem Bullen sind legendär, wenn auch unter Aspekten des Tierschutzes heutzutage nicht mehr als komplett unbedenklich anzusehen. Teil 2 ist aucht gut, aber die Szenen mit dem Typen in einem ziemlich miesen Bärenkostüm trüben den Gesamteindruck zumindest ein Stück weit.

        Hab übrigens einen meiner absoluten Lieblinge unter den Chiba-Filmen vergessen, wenn der nicht sogar meine #1 ist: „Samurai Reincarnation“ (1981) von Kinji Fukasaku, ein genialer Mix aus Historien-, Schwertkampf- und Horrorfilm. Sehr zu empfehlen, ganz unabhängig von Tarantinos Zitaten aus diesem im ersten „Kill Bill“ („God will be cut.“). Auch „Karate Warriors“ (1976) ist ein sehr cooler Streifen, den man gesehen haben sollte, auch wenn ich diesen nur in englischer Synchro vorliegen habe.

        Die anderen Filme, die du erwähnst, hab ich auch alle gesehen sowie im Regal, aber es fällt mir rund fünf Jahre nach deren letzten Sichtung teilweise echt schwer, die alle voneinander zu unterscheiden. Literatur hatte ich eigentlich nie zur Hand, eher eine Vielzahl einschlägiger Webseiten, bspw. auch solche, in denen die Heimkino-Veröffentlichungen seiner Filme besprochen werden, sowie viele interessante Interviews mit oder über Chiba, bspw. auf den Releases von Arrow oder der US-Special Edition von „G.I. Samurai“.

        Er selbst war übrigens nie wirklich begeistert darüber, dass Takuma Tsurugi die im Westen beliebteste bzw. bekannteste der von ihm verkörperten Figuren war. Der am häufigsten von ihm gespielte Charakter dürfe Yagyū Jūbei Mitsuyoshi (1607-1650) sein, den er in unzähligen Filmen und TV-Serien mimte. So auch in „Shogun’s Samurai“ (1978), einem absoluten Klassiker des Genres, oder dem bereits erwähnten „Samurai Reincarnation“.

        Leider war er Zeit seines Lebens des Englischen so gut wie nicht mächtig, andernfalls hätte man vielleicht noch mehr von ihm gehört oder gesehen, gerade in den letzten 20 Jahren, als er es karrieretechnisch sehr ruhig angehen ließ und man ihn vor allem in den USA auf Conventions live erleben konnte. Eine Autobiografie zu Lebzeiten wäre großartig gewesen, aber hoffentlich kommt da noch was in der Richtung. Werde mal einige seiner Filme auf meine Watchlist setzen, besten Dank dafür!

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