Wuxia

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Das chinesische Filmgenre des Wuxia liegt in den traditionellen Heldenerzählungen des Landes begründet. Eine dominante Rolle dabei spielen Schwertkämpfer, die ihre Abenteuer in einem historischen oder an die Historie angelehnten Ambiente erleben, aber genauso historisch relevante Gegebenheiten und Schlachten. Der Wuxia genießt auch einen hohen Stellenwert in der chinesischen Literatur. Häufig driften die Erzählungen auch in den Bereich der Fantastik ab. Sie unterscheiden gerne zwischen der Welt der Lebenden und der Welt der Toten, die hier in Interaktion treten. Viele Geschichten spielen auch im Jiang Hu, einer Art Zwischenwelt, die von der irdisch-historischen abgetrennt ist.

Eine Eigenart des Wuxia sind die bis ins Superlativ übersteigerten Kräfte ihrer Helden und Bösewichte. Dabei erlangen die Helden ihre übermenschlichen Fähigkeiten durch lebenslanges Training von Körper und Geist. Für die Umsetzung solcher Kräfte im Film wird bis heute gerne das sogenannte Wire-Fu eingesetzt. Durch befestigte Drähte am Körper können die Darsteller unglaublich hoch springen oder sogar fliegen. Magische Kräfte spielen meist nur bei alten Meistern oder Dämonen eine Rolle.

Verbot durch die Regierung und Wiederauferstehung in Hongkong

Die erste 18-teilige Wuxia-Filmreihe TORCHING THE RED LOTUS entstand bereits 1928. Doch das Wuxia-Genre als Film oder auch Litertatur wurde ab 1931 von der chinesischen Regierung verboten. Mit dem Aufbau der Filmindustrie in der damaligen Kronkolonie Hongkong gewann auch das fantastische Kino des Wuxia wieder an Bedeutung. Besonders die aufstrebenden Shaw Brothers Studios feierten damit ab Mitte der 60er-Jahre große Erfolge und konnten so ihre industrielle Vormachtstellung aufbauen.

Ihr erster Eastern war DER TEMPEL DES ROTEN LOTUS (1965) mit Jimmy Wang Yu, der darauf durch die Filme des Regisseurs Chang Cheh zum Star des Studios avancierte. Chang Cheh war es auch, der später das Duo Ti Lung und David Chiang aufbaute. Sie agierten Anfang und Mitte der 70er in verschiedenen Wuxia-Produktionen wie DIE 13 SÖHNE DES GELBEN DRACHEN, DAS SCHWERT DES GELBEN TIGERS (1971) und DIE EROBERER (1975). Andere Regisseure der frühen Stunde des „Goldenen Zeitalter des Wuxia“ waren u.a. Lo Wei (DEATH VALLEY, VENGEANCE OF A SNOW GIRL), Cheng Kang (THE SWORD OF SWORDS, THE MAGNIFICIENT SWORDSMAN), Hsu Tseng-Hung (THE THUNDERING SWORD, THE SILVER FOX) und Ho Meng-Hua (THE LADY HERMIT, DIE FLIEGENDE GUILLOTINE).

Ein weiterer großer Name des Genre feierte auch bei den Shaw Brothers seinen Einstand. Mit DAS SCHWERT DER GELBEN TIGERIN (1966) inszenierte King Hu seinen einzigen Eastern für das große Studio und ging danach nach Taiwan. Hier erschuf er Klassiker wie DIE HERBERGE ZUM DRACHENTOR (1967) und EIN HAUCH VON ZEN (1971), welcher sogar 1975 bei Cannes Film Festival ausgezeichnet wurde.

Mitte der 70er-Jahre begann Regisseur Chu Yuan mit der Verfilmung einer Reihe von Geschichten des populären Schriftstellers Gu Long. Es entstanden wendungsreiche Fantasy-Filme wie DER TODESSCHLAG DER STAHLFINGER (1976), DAS UNBESIEGBARE SCHWERT DER SHAOLIN (1977) und DIE RACHE DES KARATEKA (1980).

Die Novellierung des Genre

Während die Shaw Brothers Studios den richtigen Zeitpunkt in der Modernisierung ihrer Produktionskapazitäten verpassten, schickten sich junge Regisseure anderer Studios an, das Wuxia-Genre in die 80er zu holen. Tsui Hark war ein bekennender Fan des Blockbuster-Kinos aus Hollywood. Seine Filme wie ZU – WARRIORS FROM THE MAGIC MOUNTAINS (1983) oder MEISTER DES SCHWERTES (1990), stellten das Spektakel immer weiter in den Vordergrund. Letzteren wollte er mit seinem großen Vorbild King Hu realisiern. Doch die Zusammenarbeit scheiterte an kreativen Differenzen. Unter der Leitung Harks brachte Ching Tsiu-Tung mit A CHINESE GHOST STORY erfolgreich eine alte Geistergeschichte auf die Leinwand, in der sich ein Steuereintreiber in eine Dämonin verliebt. Auch Ronny Yus DAS UNBESIEGBARE SCHWERT (1993) erzählt eine Romanze zwischen den Welten.

Es wurde aber auch mit den Genre-Regeln experimentiert, so versetzt THE HEROIC TRIO (1993) von Johnnie To seine Geschichte in die Neuzeit. Drei mit übermenschlichen Fähigkeiten ausgestattete Heldinnen bekämpfen hier einen Dämon in der Kanalisationd er Metropole. Auch Superstar Jet Li als Quasi-Superheld BLACK MASK (1996) ließe sich, mit etwas Gutdünken, noch zum Genre dazuzählen.

Der moderne Wuxia-Film

In den modernen Wuxia-Filmen spielen auch CGI eine zunehmend wichtige Rolle. Mit der Hilfe von Computertechnik werden fantastische Welten ermöglicht, die es mit Sets alleine nicht möglich war zu erschaffen. Altmeister Tsui Hark ist immer noch eine der führenden Kräfte im Genre. Er inszenierte u.a. die Filmreihe DETECTIVE DEE (2010-18) um den historischen Ermittler Di Renjie, einer Art chinesischen Sherlock Holmes. Außerdem drehte er mit FLYING SWORDS AT DRAGON’S GATE (2011) ein prachtvolles Remake von King Hus DIE HERBERGE ZUM DRACHENTOR als 3D-Film mit Jet Li in der Hauptrolle.

Mit internationalen Hits wie TIGER & DRAGON (1999), HERO (2002) und THE HOUSE OF THE FLYING DAGGERS (2004) konnte das Wuxia-Kino inzwischen auch im Westen Aufmerksamkeit erlangen. Im Bereich des Streaming wurde erst von Netflix mit DIE REISE NACH WESTEN (2020) die bisher wohl am meisten verfilmte Geschichte des Wuxia als Serie umgesetzt. Eine weitere moderne Bearbeitung von Wuxia-Motiven bot die Action-Serie WU ASSASSINS (2019).

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